Frau Disegna, im August 2018 haben Sie als AGIAMONDO-Fachkraft bei der Caritas Nigeria in Abuja ihre Arbeit begonnen. Wie sieht Ihr Einsatz vor Ort aus?
Eva Disegna: In Nordost-Nigeria, aber auch im West-Tschad und in Nord-Kamerun leben viele Menschen, die vor der Terrorgruppe Boko Haram geflohen sind oder sich auf der Flucht befinden. Die meisten haben Gewalt erlebt, sind durch Gefangenschaft und Folter traumatisiert oder leiden an Armut und Hunger. Die Partnerorganisationen der Caritas setzen sich in Flüchtlings- und Vertriebenenlagern sowie in Gastgemeinden für diese Menschen ein, verteilen Nahrungsmittel, schulen sie in Ackerbau und Viehzucht oder bieten psychosoziale Unterstützung an.
Ich fungiere als eine Art Bindeglied zwischen den Partnern vor Ort und der Caritas in Freiburg, indem ich mit den einzelnen Parteien spreche und dafür sorge, dass ihre Vernetzung gut funktioniert. Dazu reise ich regelmäßig in die Projektregionen, tausche mich mit den lokalen Kolleg*innen über positive Erfahrungen oder Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit aus und berate sie zum weiteren Vorgehen und zur Kommunikation untereinander. Gleichzeitig führe ich Gespräche mit den Begünstigten darüber, ob ihnen die Unterstützung hilft, an was es ihnen möglicherweise fehlt und ob sie mit den Inhalten der Schulungen zufrieden sind. Am Schluss fließen meine Erkenntnisse auch in die Projektsteuerung der Caritas ein. Der Austausch ermöglicht es uns also, die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen bei unserer Arbeit immer im Blick zu behalten.
Im Rahmen Ihres Einsatzes führen Sie selbst auch Schulungen durch, vor allem zum Thema Geschlechtergerechtigkeit/Gender. Was machen Sie diesbezüglich konkret?
Eva Disegna: In Westafrika sind die meisten Gemeinschaften patriarchal geprägt und hierarchisch organisiert. Diskriminierung von Mädchen und Frauen, geschlechtsspezifische Gewalt – auch durch Boko Haram – und Kinderheirat sind weit verbreitet. Um dem entgegenzuwirken, klären unsere Partnerorganisationen Mädchen und deren Familien über Kinderheirat auf und ermutigen und unterstützen sie, die Schule zu besuchen.
Wir begleiten diesen Einsatz, indem wir zusammen mit lokalen Kolleg*innen Trainings zu diesen Themen erarbeiten und gemeinsam durchführen. Vor Kurzem erst haben wir in drei Außenbüros der Caritas Mitarbeiter*innen zu sexueller Belästigung, Missbrauch und Gleichberechtigung geschult. Diese Trainings haben das Ziel, im Rahmen der Projekte ein Umdenken anzustoßen und Wege aufzuzeigen, wie die Einhaltung von Frauenrechten innerhalb bestehender Traditionen gelingen kann. Das ist ein langer Prozess, doch wir haben bereits gute Resonanz erhalten und sehen, dass sich etwas bewegt.