Produktive Konfliktlösung fördern
Damit das gut funktioniert, werden Kalisto und seine Mitstreiter*innen vom Büro für Frieden und Gerechtigkeit der Diözese Kotido unterstützt. Friedensfachkraft Patricia Henning begleitet die dortige Arbeit. Zusammen mit einer ugandischen Kollegin bietet sie Schulungen an, in denen aktive Kirchenmitglieder erfahren, wie Konflikte entstehen und wie sie friedlich bearbeitet werden können. Teilnehmer wie Kalisto lernen, ihre Gemeinden als Mediatoren zu beraten, um so darauf hinzuwirken, dass Konflikte produktiv gelöst werden.
Darüber hinaus leistet das Büro Aufklärungsarbeit zu Landrechten in den Gemeinden, ein Thema, das in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Seit Ende des Bürgerkriegs und der Entwaffnung Karamojas interessieren sich immer mehr Investoren für das rohstoffreiche Land im Norden. Da die Bewohner*innen kaum Zugang zu Justiz und Informationen zur Gesetzeslage haben, wissen sie jedoch nicht, dass Registrierung ihren Landbesitz sichern kann. Erwerben Investoren dann Lizenzen, verlieren die Menschen ohne schriftlichen Nachweis ihre Äcker und Weiden.
Gemeinsam Gebietsgrenzen festlegen
In Karamoja gehört das Land selten einzelnen Personen. Meist sind es größere Familienzusammenschlüsse, die gemeinsam Anspruch auf ein Gebiet erheben. Damit auch unter ihnen keine Konflikte entstehen und sie sich vor möglichen Investoren schützen können, unterstützen sie Friedensfachkräfte wie Irmgard Kurte.
Zusammen mit den Kolleg*innen des Büros für Landrechte der Diözese Moroto arbeitet sie daran, Gebietsgrenzen sowie Mitglieder von gemeinsamem Landbesitz festzulegen und dies amtlich registrieren zu lassen. Durch Urkunden wird der Besitz offiziell und somit einklagbar. In diesem Prozess arbeiten Irmgard Kurte und ihre Kolleg*innen eng mit den Menschen vor Ort zusammen, sprechen mit jedem, der Anspruch auf Land erhebt, erstellen Karten mithilfe von GPS-Geräten und legen die Grenzen gemeinsam fest.
Die betroffenen Familien zu einer Einigung zu bewegen, erfordert viel Verständnis und
Geduld. Land bedeutet Überleben – darüber lässt sich schwer verhandeln. Gelingt es dennoch, können Landkonflikte gewaltfrei gelöst und Landrechte geschützt werden.
Alternativen zu Gewalt aufzeigen
Ojok lebt mit seiner Familie in Acholi, einer Nachbarregion von Karamoja in Norduganda. Für ihn dauert der Versöhnungsprozess an. Zu Kriegszeiten aus seiner Heimat vertrieben, kehrten er und seine Angehörigen nach Jahren in ihr Heimatdorf zurück. Dort bewirtschafteten mittlerweile andere das Land, das zuvor Ojoks Familie gehört hatte. Es kam zum gewaltsamen Konflikt und zwölf seiner Verwandten erhielten hohe Gefängnisstrafen.
Irene Mukasa-Erben, Friedensfachkraft bei der Nichtregierungsorganisation Advance Afrika, kennt die Geschichte der Familie gut. „Der Krieg hat viele Menschen traumatisiert“, sagt sie. „Traditionelle Unterstützungsstrukturen wurden zerstört, Gewalt wurde als alltägliches Mittel zum Zweck erlebt.“ Durch Mediation und Konfliktberatung helfen sie und ihre Kolleg*innen ehemaligen Häftlingen bei der Reintegration in ihre Gemeinden. Gemeinsam mit Gefängnissozialarbeitern und ehrenamtlichen Dorfmitgliedern bereiten sie sie auf eine friedliche Rückkehr vor und vermitteln vor Ort zwischen den Familien. „Wir zeigen den Menschen, dass sie sich nicht bekämpfen müssen, sondern einander zuhören können“, sagt Mukasa-Erben.
Auch Ojoks Angehörige sind mittlerweile wieder zu Hause und versuchen, mit Hilfe von Advance Afrika die Differenzen mit ihren Nachbarn zu überwinden.
Würdige Arbeitsbedingungen schaffen
Einigung fördern und soziale Gerechtigkeit stärken gehört auch zu den Aufgaben von Friedensfachkraft Marco Steffan. Im Büro für Frieden und Gerechtigkeit der Diözese Moroto setzt er sich vor allem für Menschen ein, die ihr Land durch den Kalkabbau verloren haben. Viele arbeiten tagtäglich unter schwersten Bedingungen mit der Hacke oder mit bloßen Händen zu Niedrigstlöhnen in den Steinbrüchen und können kaum ihr Überleben sichern. Gemeinsam mit der katholischen Mission in Tapac und unterstützt durch ein Projekt der Dreikönigs-aktion (DKA) Österreich klären die Kolleg*innen der Diözese Moroto die Menschen in der Region über ihre Landrechte auf und helfen ihnen, Entschädigungen für das enteignete Land sowie würdige Arbeitsbedingungen einzufordern.
Austausch für den Frieden
Das Wissen und ihre Erfahrungen, die die Partnerorganisationen des ZFD in Moroto, Kotido und Acholi bei ihrer Arbeit sammeln, geben sie untereinander und an andere weiter. Durch Netzwerktreffen, Projektbesuche oder gemeinsame Trainings lernen sie voneinander und tauschen sich über aktuelle Herausforderungen aus. So wird aus unterschiedlichen Geschichten ein gemeinsames Bild von Gewaltprävention und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen hin zu Frieden und sozialer Gerechtigkeit in Uganda.
Auch Kalisto hat auf diese Weise viel von der Friedensarbeit seiner Nachbardiözese Moroto gelernt und gesehen, wie seine Kolleg*innen vorgehen, um die Rechte der Bevölkerung am besten zu schützen. Diese Erkenntnisse wird er mit den Mitstreiter*innen seines Verbands in Loyoro und den Gemeindemitgliedern teilen. „Wir sind alle Karimojong und müssen zusammenhalten“, sagt Kalisto, „denn wir stehen alle vor dem gleichen Problem. Deshalb kamen wir hierher, um voneinander zu lernen.“
Text: Irene Mukasa-Erben, Stefan Friedrichsen, Patricia Henning, Marco Steffan
Fotos: Rendel Freude
Landkonflikte in Uganda: Ein komplexes Problem
Land- und Ressourcenkonflikte kommen in Norduganda sehr häufig vor. Ihre Ursachen sind vielfältig und gehen bis in die Kolonialzeit zurück. Willkürliche Grenzziehungen, Stellvertreterkriege während des Kalten Krieges und Waffenlieferungen befeuerten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen der Bevölkerung. Dadurch wurden viele Menschen vertrieben und Gebiete neu besiedelt, weshalb heute oft mehrere Familien Anspruch auf dasselbe Land erheben.
Zudem zieht der Rohstoffreichtum Investoren an, die Land unter zweifelhaften Bedingungen erwerben und die ursprünglichen Besitzer enteignen. Zwar regelt die Verfassung von 1995 Landbesitz für Individuen und Gruppen, davon, dass sie diesen registrieren lassen müssen, haben jedoch die wenigsten Menschen Kenntnis.
Verschärft wird das Problem zusätzlich durch die wirtschaftliche Lage Ugandas und die schwierigen Lebensbedingungen vor Ort: Bedingt durch den Klimawandel treten immer häufiger Dürreperioden auf, die Nahrungsmittelknappheit verursachen. Zudem wächst die Bevölkerung kontinuierlich, wodurch sich der Druck auf die Nutzflächen erhöht.