ZFD in Kenia: Fünf Fragen an Fachkraft Matthias Eder zum Länderschwerpunkt "Interreligiöser ‎Dialog" ‎

Das Thema "Interreligiöser Dialog" ist Länderschwerpunkt des Zivilen Friedensdienstes von ‎AGIAMONDO in Kenia. Matthias Eder, Fachkraft für interreligiösen Dialog und interreligiöse ‎Bildungsarbeit beim Catholic Network for Inter-Religious Dialogue in Africa, Nairobi, Kenia ‎erläutert, welche Bedeutung das Thema bei der Friedensbildung hat und berichtet, welchen Beitrag ‎das neu gegründete "Institute for Interreligious Dialogue and Islamic Studies" hier leistet. ‎

Herr Eder, worum geht es beim Thema "Interreligiöser Dialog"?

Matthias Eder: Religionen können manipulieren oder benutzt werden um Konflikte zu befeuern oder zu Gewalt anzustacheln. Religionen können aber auch zur Deeskalation und Friedensbildung beitragen. AGIAMONDO-Projekte zu Interreligiösem Dialog (IRD) im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes fördern durch ihre Arbeit mit (inter-)religiösen Akteuren Frieden und beugen Gewalt vor. Ziel ist es, Religionen gemeinsam mit lokalen Aktivisten, Institutionen und Würdenträgern als Instrumente des Brückenbaus zwischen Religionen, Ethnien oder sozialen Gruppen zu stärken. Interreligiöser Dialog, der das Verstehen und Annehmen des jeweils Anderen ermöglichen soll, entkräftet die vorherrschenden Stereotype und unterstützt eine friedliche, konstruktive Auseinandersetzung innerhalb oftmals traditioneller Gesellschaften.

Warum ist das Thema "Interreligiöser Dialog" ein Schwerpunktthema des Zivilen Friedensdienstes von AGIAMONDO in Kenia?

Matthias Eder: Religiöse Akteure besetzen oft Schlüsselpositionen in diesen Gesellschaften und wurden trotz ihrer großen Reichweite lange als Zielgruppe internationaler Zusammenarbeit unterschätzt oder falsch eingesetzt. AGIAMONDO will mit der Schwerpunktsetzung auf den Interreligiösen Dialog das friedensbildende Potenzial von Religionen nutzbar machen und neue Perspektiven der internationalen Zusammenarbeit aufzeigen. (Inter-)Religiöse Akteure sollen sich ihrer Verantwortung in Gesellschaften und Konflikten bewusst werden und befähigt werden, ihre Netzwerke und Inhalte effektiv zur Friedensbildung einzusetzen – wohlwissend, dass Religion in vielen Konflikten als Teil des Problems angesehen wird. Gerade das macht die IRD-Projekte von AGIAMONDO im Rahmen des Zivilen Friedensdiensts so wichtig, effektiv und auch kompliziert.

Matthias Eder (2. v.r.) mit dem IRDIS-Team (v.l.n.r.): Programme Leader Fr. Adrien Sawadogo, Assistant ‎Administrator Abdallah Leboi und Administratorin Milkah Bosibori Kiboi. ‎
ZFD-Fachkraft Matthias Eder (Mitte) mit seinen Mitarbeitern Milkah Bosibori Kiboi (links) und Abdallah ‎Leboi (rechts) an seinem Arbeitsplatz.‎
Matthias Eder und Milkah Bosibori Kiboi im Gespräch mit dem ehemaligen General und muslimischen ‎Führer Bashir Al Haj (Mitte), Doktorand am IRDIS.‎
Matthias Eder und Milkah Bosibori Kiboi im Gespräch.‎
Das IRDIS-Instiut an der katholischen Universität von Ostafrika in Nairobi.‎

Im November 2019 haben AGIAMONDO und die Missionaries of Africa Kenya das "Institute for Interreligious Dialogue and Islamic Studies" – kurz IRDIS – gegründet, um die Verankerung und den Ausbau von interreligiösen Dialogstrukturen in Kenia gemeinsam voranzutreiben. Als zusätzlicher, gastgebender Partner wurde das Tangaza University College in Nairobi gewonnen, das zu einem Zentrum für interreligiösen Dialog ausgebaut wird. Welche konkreten Angebote gibt es hier?

Matthias Eder: Wir haben eigene, auch internationale Konferenzen umgesetzt, die "Tangaza Summer School for Islam and Christianity in Dialogue in Africa" findet im Juli 2020 beispielsweise bereits zum dritten Mal statt. Projektkooperationen mit muslimischen Organisationen und etwa der kenianischen Bischofskonferenz werden implementiert und angebahnt, Partnerschaften mit Universitäten entstanden und akademische Programme wurden geplant oder laufen bereits. Das alles führt zu einem Zusammenwachsen und Lernen voneinander, über Religionsgrenzen, ethnische Differenzen oder Kontinente hinweg. Das Team von IRDIS hat sich mittlerweile von zwei auf fünf Mitarbeiter vergrößert – neben IRDIS-Direktor Fr. Innocent Maganya von den Missionaries of Africa und mir sind inzwischen noch Fr. Adrien Sawadogo – ebenfalls Missionaries of Africa – sowie unsere Administratorin Milkah Kiboi und unser administrativer Assistent Abdallah Leboi hinzugekommen. Dieser Zuwachs spiegelt sehr gut die hohe Nachfrage an Projekten zum Thema "Interrelligiöser Dialog" wieder – mit steigender Tendenz. Wir stecken auf allen Ebenen alle an – sei es ein Graswurzelprojekt, religiöse Führungsfiguren oder internationale Partner. Die Wirkungsentfaltung auf individueller und auf institutioneller Basis hat uns selbst überrascht.  Es entstanden Partnerschaften mit Organisationen wie der "Norwegian Agency for Development Cooperation", dem internationalen katholischen Hilfswerk "Missio", der kenianischen Bischofkonferenz, dem "International Institute for Islamic Studies" im Iran, zivilgesellschaftlichen und religiösen Akteuren in Kenia, dem "Network for Religious and Traditional Peacemakers", der European Academy of Religions, oder der Umma University, der größten muslimischen Universität in Kenia. Und ganz wichtig: Im Kleinen entstehen durch die Begegnungen in und um IRDIS-Aktivitäten immer wieder Dialogerfahrungen bei den Teilnehmern, die eine tiefgreifende Verhaltensänderung bewirken.

Moschee im Stadtteil Embul bul, Nairobi, Kenia
Matthias Eder diskutiert mit den Autoritäten der Moschee im Stadtteil Embul bul von Nairobi ‎Kooperationsmöglichkeiten.‎
Matthias Eder und weitere Mitglieder des IRDIS-Teams im Gespräch mit den Autoritäten der Moschee.‎
Begehung der Moschee
Handschlag in der Moschee

Wie sehen diese Verhaltensänderungen aus?

Matthias Eder: Wir haben oft Teilnehmer in unserem akademischen Programm, die aus einer religiösen Konflikterfahrung oder einseitigen theologischen Vorerfahrung heraus große Schwierigkeiten mit interreligiösen Themen haben. Von solchen Teilnehmern bekommen wir oft die sehr persönliche Rückmeldung, dass unsere Arbeit eine Hinwendung, eine Öffnung bewirkt. Die transparente Auseinandersetzung mit dem unbekannten "Anderen" ermöglicht oft erstmalig eine konstruktive Zusammenarbeit.

Wie geht es mit IRDIS weiter?

Matthias Eder: Wir haben einiges erreicht, aber noch viel vor. Mit jeder Idee, die wir im IRDIS-Team entwickeln, öffnen sich neue Türen. Gerade versuchen wir, eine Kooperation mit einer Menschenrechtsorganisation und der muslimischen Gemeinde eines nahegelegenen Slums aufzubauen, um IRD konkret in unserer Umgebung wirken zu lassen. Gleichzeitig werden wir immer stärker von internationalen Partnern angefragt und setzten in den nächsten Jahren mindestens drei Projekte in Kenia um. Die Partnerschaft der Missionaries of Africa mit AGIAMONDO hat es uns ermöglicht, den lang gehegten Traum eines IRD-Zentrums für Ostafrika zu erfüllen. Aufbauend auf diese Partnerschaft wollen wir in eine friedlichere Zukunft gehen, in der Dialog und Kooperation die Religionen und Konfliktparteien dauerhaft zusammenbringt.

 

23.12.2019

Text: Theresa Huth